Der mechanische Fernseher

Lieber Tagesbuch,

feiert seinen 90. Geburtstag. Was mit einer einfachen Lochscheibe und einer bunten Puppe begann, das endet, zumindest bis gestern, mit Kasalla im Dschungelcamp. Heute eher besinnliche Gedanken zum 90. Geburtstag der liebsten Erfindung der Menschheit nach dem Wasserklosett.

Stellt sich einem so ganz allgemein die Frage, liegt es vielleicht an der Lochscheibe, dass viele Sendungen ein solches Loch im Kopf hinterlassen – oder war das Loch schon vorher da und muss nur gefüllt werden? In vielen Fällen ertappt man sich beim nächsten Griff in die Chipstüte bei dem Gedanken: ‚warum eigentlich schaue ich mir das an‘?

Automatisch halt – oder ist es in Wirklichkeit das Unterbewusstsein, welches sich durch die bunten Bilder auf der Mattscheibe derart gelangweilt abwendet und in letzten Zuckungen, vor dem dahinscheiden in seelischer Umnachtung, diese Frage in das Bewusstsein entlässt.

Haben Wissenschaftler ja in den letzten Jahren durch MRT-Aufnahmen festgestellt, dass die einzelnen Entscheidungen des Menschen schon Millisekunden, bevor sie scheinbar ‚bewusst‘ entschieden werden, durch das Unterbewusste bewertet und in der Folge auch bestimmt werden. Da hat man quasi gar keinen Einfluss darauf – darum kauft man sich dann eine Blöd am Kiosk.  Oder schaut RTL2. Oder wählt…

Heißt die Mattscheibe eigentlich darum so, weil alles im Menschen ermattet, selbst die Gegenwehr? Wo wären wir ohne Big Brother, DSDS, GZSZ? Warum eigentlich weiß jeder, der diese Kürzel hört, worüber ich hier schreibe? Warum liest keiner die Blöd und weiß dennoch über die Schlagzeilen Bescheid – alles unterbewusste Käufe, verdrängt vom Ich, versteckt vor dem eigenen Bewusstsein? Macht es einfacher, viele Entscheidungen im Leben zu verstehen bzw. nachzuvollziehen. Da bekommt der kalte Krieg endlich einen Sinn. Oder die Mauer. Die war ja, so Ulbricht, auch gar nicht beabsichtigt. Ist quasi unterbewusst gemauert worden. Von mechanischen Maurern. Die das auch nicht wollten. Geschweige denn gewusst oder gar bewusst wahrgenommen haben. Ist ja darum auch so lang geworden. Hat ja keiner Stopp gesagt…so richtig bewusst. Das Politbüro war ja zu diesem Zeitpunkt schon wieder mit dem neuen 5-Jahres-Plan beschäftigt…

Liegt es in der Natur des Menschen, sich mit den ganzen Banalitäten des Lebens lieber abzugeben, als über die gesamte Menschheit und deren drängende Probleme nachzudenken und dabei vielleicht sogar Lösungen zu finden?

Was stört mich schon eine Erwärmung des Planeten, wenn ich im Januar im Garten endlich meinen Geburtstag feiern kann! In kurzen Hosen und T-Shirt! Endlich…habe ja auch lang genug drauf gewartet. Grill angezündet und das Fass anstechen!

Währenddessen, in einem anderen Teil des Felsbrocken im All: Schneesturm! Und im Radio die sinnige Bemerkung, dieser wäre sogar mit Schnee und viel Wind. Ja sag mal. Wie kann das denn? Ein Sturm mit Wind? Und noch dazu Flocken? Ach. Stimmt. Wir haben ja noch Winter. Und im Radio sitzen eben auch nur Menschen mit 32 Knochen mehr im Kopf. Mechanisches Gehirn.

Zumindest in anderen Teilen der Welt. Wenn man mal vom heimischen Wohnzimmer ausgeht.

Ich gebe es zu – ich bin froh mich abends mit Irrsinn berieseln lassen zu können. Oder, falls ich es möchte, mir hochgeistiges oder kulturelles oder feinsinniges oder nachdenkliches anzuschauen. Ich habe die freie Wahl. Gut, nicht alles ist hochqualitativ. Aber 2 Tonnen Würmer – das hat was. Wann hat man schon die Gelegenheit im Leben, die alle auf einmal zu sehen?

Im Dschungel selber war ich noch nicht – und ich bin auch so spät am Abend nicht dabei. Da liege ich schon im Bett und lese mich durch die Welt.

Auch eine Form der Kommunikation. So mehr mit sich selber. Scheinen sehr viele Menschen zu benötigen, sonst wären die Verkaufszahlen einschlägiger trivialer Literatur nicht so hoch!

Ob also nun atomarer oder gefühlskalter Winter sei mal ganz dahingestellt. Tut sich ja nicht viel in der Unterscheidung. Wenn man nicht mehr miteinander redet, dann ist Kommunikation immer sehr schwierig. Wie bei mir und meinem Buch!

Außer, die Kommunikation läuft nur noch über die Medien ab. Nennt sich dann Propaganda. Wobei die Vorsilbe Pro hier ja schon fehl am Platz ist, nimmt sie einen doch positiv im Voraus ein.

Eigentlich, um möglichst objektiv zu bleiben, ist es ja Paganda. Dies wiederum versteht aber keiner – zumindest wäre es ein neues Unwort für die Gesellschaft für deutsche Sprache. Und weckt Assoziationen zu Pangäa – den Urkontinent.

Also hören wir uns die Paganda der jeweiligen Seite an. Und sehen Bilder über den angeblichen oder tatsächlichen Terror des Tages. Ein Autofahrer terrorisiert seine Mitmenschen mit Abgasen. Ein anderer treibt seinen Terror in der gesamten Nachbarschaft in dem er mit lauter Musik sinnlos durch die Gegend fährt. Also fast so wie der mobile Musikantenstadel. Den man bei uns sehr gut Nachmittags auf der A40 beobachten kann. Stop and go in seiner feinsten Ausprägung.

Alles ist Terror. Und überall ist Terror. Keine Kriege mehr ohne die zugehörige terroristische Miliz.

Und wir immer live dabei. So daß man wunderbar abstumpft und nur noch milde lächelnd den ‚Vogel des Jahres‘ oder die ‚Schnecke der Woche‘ wahrnimmt. Bunt gemixt mit Kochshows und wunderbaren Selbstfindungssendungen a la Dschungelcamp.

Da sag mir einer, das Fernsehen sei tot. Dass sich die Jugend immer weiter ins Netz verlagert und gerne streamt ändert ja nichts an der Tatsache, dass der Normalbürger mechanisch am Abend den Knopf auf der Fernbedienung drückt.

Nicht, dass ich das verurteilen würde, sehe ich doch selber gern Krimis oder Unterhaltung bzw. Comedy.

Aber es ist schon verrückt, wie sich unsere Gesellschaften in den letzten 100 Jahren gewandelt haben. Und wie viel Unsinn den Tag über durch Menschen produziert wird.

Stell sich mal einer vor, es ist Revolution und die Fernsehsender berichten über die 3 Terroristen. Und alles schaut gebannt zu. Auf dem heimischen Sofa. Mit dem Popcorn.

Wer ist nun ärmer dran? Der, der den Unsinn erschafft oder der, der es sich auch noch ansieht?

Ganz oft habe ich mir eine Lochscheibe gewünscht, die den Mist wegfiltert. Und dann kamst du.

Und mal ganz ehrlich: ein mechanischer Fernseher, hört sich für mich eher nach einem Roboter an, der sich durch das Programm zappt. So wie die Rundfunkintendanten. Oder der deutsche Michel.

WEISSE BESCHEID, ne?

 

 

 

 

 

9 Gedanken zu “Der mechanische Fernseher

  1. hansjoachimantweiler schreibt:

    Liebender Genialer Herr

    „Matrix“ Die Trilogie
    Ein gefährlicher Film für das System
    Und „Der große Bruder überwacht Dich“
    Das wäre zu aufwendig
    Das Indoktrinieren Infiltrieren ist leicht und unmerklich
    Vor Jahren las Ich ein Buch „Fernsehen Instrument verborgener Mächte“
    Und „Die Droge im Wohnzimmer“

    Bewusst sein ist transzendieren
    Wie Novalis „Romantisieren ist das Gewöhnliche erhöhen
    Das Banale vergeistigen“

    Wenn Sklaven Ihrer Ketten bewusst werden
    Geraten die Nutznießer in Bedrängnis

    Einen Film in Ehren wird niemand verwehren
    Das Konstrukt der Realität für Wirklichkeit wähnen
    Lässt die Wahrheit des Lebens zu einer Fiktion verkommen

    Ich sehe fern
    Und nah

    Danke
    Dir Joachim von Herzen und zu Wahr

    Gefällt 1 Person

  2. hansjoachimantweiler schreibt:

    Liebender Allda

    „Oder der Deutsche Michl.“
    Dieser Dein Schlußsatz der ja kein Ganzer ist
    Geht Mir sehr nah
    So lapidar
    Fürwahr
    Der Deutschen Michael schläft
    Im Nachthemd mit Schlafmütze
    Er schläft nicht ist überbewusst nur Wir hatten Uns Ihm verschlossen
    So hat das Volk der Denker und Dichter Seine geistige Mission noch verschlafen
    Dies meinte ja auch Emanuel Geibel: „Am Deutschen Wesen soll die Welt genesen.“
    Und weil Sie`s damals nicht umsetzten
    Konnten die NS Idiologen dieses prophetische Wort missbrauchen
    Hast Du über Michael geforscht ?
    Oder war dieser Schlußakkord Deiner Intuition verdankend ?

    danke
    Dir Joachim von Herzen

    Gefällt 1 Person

  3. hansjoachimantweiler schreibt:

    Liebender Arbeiter

    am Michaelischen Tempelbau der Menschen
    die offenen guten Willens sind
    Dann frohes Schaffen
    Ein Stein trägt das Gebäude wie und wann Er auch gesetzt
    Verwerfen Wir den Eckstein nicht
    Das Werk schon halb erricht

    danke Dir
    Joachim von Herzen

    Gefällt 1 Person

Hinterlasse einen Kommentar