Der Name der Hose

Lieber Tagesbuch,

war in meinen Jugendjahren – ja ich gebe es zu, ich bin ein alter Sack – oftmals ja wichtiger als alles andere auf der Welt.

Da wurde halt sehr darauf geachtet, dass man entweder eine Jinglers, mit so kleinen Glöckchen dran, trug – oder eben eine Levis. Manchmal gab es allerdings auch noch die Möglichkeit, auf eine Vanilla-Jeans auszuweichen. Was mich natürlich regelmäßig darauf brachte, eine ‚NoName‘-Jeans zu tragen. Und den damit verbundenen Hohn und Spott locker und leicht zu ertragen. War alles damals schon nicht ganz so einfach. Ich habe allerdings die ‚Einkleide-Tage‘ bei Boecker gehasst. Meine Muter schleppte die Achtköpfige Familie in den Laden, in dem meine älteste Schwester arbeitete – und ich selber war eigentlich den gesamten Nachmittag nur auf der hauseigenen Holzrutsche zu finden. Wichtig war dabei nur: wann macht der Laden zu? Denn dies begrenzte die Häufigkeit der auf dem Hosenboden verbrachten Minuten auf der hölzernen Attraktion.

Man wurde dann eben nur aus seinen Weltrekordversuchen im Dauerrutschen herausgerissen, wenn man zum ankleiden gerufen wurde.  Und musste dann stramm stehen. Für eine gefühlte Ewigkeit wurden Klamotten anprobiert…manch einer hätte in der Folge hieraus sicher eine ausgeprägte Einkaufs-Phobie entwickelt. Ein Wunder, dass ich das Klamotten einkaufen auch heutzutage noch ganz gut aushalte. Aber heute wie damals: es müssen dann die Sneakers von Nike oder AllStar sein. Selbst bei den Siebenjährigen an der Kasse. Auch wenn die selber noch nix verstehen. Wenn sie vom Kinderclan in der Schule wegen billiger Kleidung gemobbt werden, das WIRD dann wohl verstanden. Geistig arm halt, warum sollte der Mensch sich auch weiterentwickeln? Zumindest nicht zu meinen Lebzeiten…nehme ich mal an.

TAXI!

Geht man leichten Schrittes nichts ahnend gerade mit seiner Göttin und dem Hund aller Hunde im Park spazieren, als eine ältere Dame wild gestikulierend um die Ecke schnaubt. Taxi! Erneut der schrille Ruf nach dem Fortbewegungsmittel. Dem ultimativen, in unserer Zeit. Trotz Uber. Neben den E-Autos und der tollen Bahn.

Man ist für den Bruchteil einer Sekunde irritiert, hat das Verlangen, hinter sich zu schauen und ungläubig einem im Park fahrenden gelben Auto hinterher zu starren – es soll ja alles Mögliche geben, warum dann kein Taxi im grünen Stadtpark um die Ecke? Ein Rollator täte es an dieser Stelle zwar auch, aber warum nicht vollends dekadent?

Man will also gerade den Kopf drehen, da wird einem bewusst, dass die alte Dame ihrem Hund hinterher ruft.  Taxi! Der Golden Retriever kommt wild wedelnd aus dem Gebüsch…und die Welt ist danach scheinbar wieder in Ordnung.

Da könnte man sich doch glatt fragen, wie kommt der Hund denn wohl zu DIESEM Namen?

Gut, ein Bullterrier namens Gisela, der allen seine Kiste hinhält und sich wild bespringen lässt – daran hatte ich mich nach einiger Zeit gewöhnt. Oder den langjährigen Kumpel, der seinen Hund immer ‚Herr Schröder‘ rief. Selbst nach Hartz 4 alles noch ganz nett. Taxi. Datt geht. Irritiert zumindest vollständig alle Umstehenden. Ziel erreicht, sollte man dann wohl denken.

Den eigenen deutschen Schäferhund sollte man aus diesem Grunde ja auch am besten gleich ‚Fass‘ nennen. Kommt dann gut, wenn man so durch den Stadtpark schlendert und nach dem großen Hund ruft. Ebenso wie ‚der tut nix‘ oder ‚der will nur spielen‘ sind die gewählten Hundenamen für mich in der letzten Zeit immer ein Hinweis auf den Besitzer. Groß in Mode sind derzeit ja auch Prinzessin Lea oder Darth Vader.

Ich für meinen Teil wäre für die maximale Provokation – über ziemlich eindeutige Benennung. Vor dem Altenheim mit seinem Schäferhund ‚Lecken‘ oder ‚Poppen‘ herumzulaufen, das wird sicherlich für Amüsement sorgen.

‚Kommst du jetzt hierher, lecken!‘ Hat was. Oder einfach nur wild gestikulierend ‚Poppen‘ seinem Hund hinterher zu schreien. Ist auch vor der Wiese beim öffentlichen Kinderspielplatz gern gesehen. Besonders von den gaaanz jungen Müttern!

Mich verwundert bei der Benennung eigentlich gar nichts mehr, schließlich sind mir letztens auch die neu zugelassenen Vornamen von Kindern wieder mal vor die Augen gekommen. Zugelassen eben für MENSCHEN wohlgemerkt. Alles was nun hier folgt ist wirklich echt…sowas könnte selbst ich wohl auch kaum erfinden. Obwohl…Irre genug bin ich ja schon. So was wie Bianca. Oder Thorben. Oder der gute alte ZWEN!

Dabei sind dann Kaysen oder Svava sogar noch durchaus als kreativ anzuerkennen – wenn man sich nicht gerade beim Einkauf im IKEA um die Ecke hat inspirieren lassen. Cinderella-Melodie ist bei der Namensgebung eben neuerdings genauso erlaubt, wie der ja auch in Russland immer mal wieder beliebte Despot.Trotz Lenin oder Stalin und den damit verbundenen Erinnerungen. Oder wegen? Wer weiß?

Warum dann nicht gleich den Bruder im Geiste Hitler als Vorname? Adolf ist ja dagegen schon fast spröde! Und wirkt auch so altbacken. Wie gut, dass Borussia, Crazy Horse und Gastritis nicht erlaubt wurden. Aber wenn man es recht bedenkt, warum nicht gleich alle Krankheiten einfach auch als Vornamen zulassen? Kommt einem Heranwachsenden ja schon sehr nah, so eine ausgewachsene Enzephalitis. Und den Namen in dieser Form für seinen Nachwuchs gefunden zu haben, dies deutet ja nun einmal ohne große Diskussion auf eine schwere Erkrankung des Hirns hin…

Wozu eifriger Fleischkonsum außer einer Hirnhautentzündung, die von mit dem Wahnsinn befallenen Rindern ausgelöst wird, noch so alles führen kann, deutet sich beim Geburtstag von ‚Matt-Eagle‘ an. Denn dort gibt es dann den Namensvetter aus den lieben Rindern und ein paar netten, armen Schweinen als bunt gemischtes Hackfleisch gleich im rohen Zustand passend zum Vornamen des Geburtstagskindes. Man kann bei dieser grandiosen Gelegenheit  ja auch gleich den Namen des Kindes aus dem wunderbar gemischten Hack formen. Oder andere Dinge des täglichen Lebens, die einen besonders berühren. Den Schuhanzieher oder die Fernbedienung des Fernsehers.  Freudig erregtes Grinsen bei allen hieran beteiligten Minderjährigen ist dabei garantiert. Besonders eben auch für die direkt an diesem Geburtstag beteiligte Schulkasse. Da werden dann Rituale gefeiert wenn Blaubeere, Bluna oder Brain an die Tafel gehen. Oder wenn ‚Leonardo da Vinci Franz‘ im Kunstunterricht seine uninspiriert dahin gekritzelte Strichmännchen-Zeichnung mit einem Dadaistischen Hintergrund  erklärt und damit für alle Anwesenden im Raum ins richtige Licht rückt. So etwas kann, neben dem schon erwähnten Hack oder dem seltsamen, weißen Pulver, welches man beim Bruder in den Klamotten entdeckt hat, durchaus bewusstseinserweiternd sein oder zumindest ebenso auf einen wirken. Da wird gefeiert auf dem Schulhof, das kann ich in diesem speziellen Fall immer wieder nur bestätigen! Dagegen sind Treibjagden grün bewandeter Jäger mit seltsam geschwungenen Hörnern im Unterholz ja dann fast ein Kindergeburtstag. Genauso krank im Kopf zwar – aber laut deren eigener Aussage ja unumgänglich.  Um die Population im Griff zu halten. Scheinbar sind die neuen Namen dazu ja wohl auch in der Lage. Zumindest deuten sie ja ebenfalls auf eine Hirnentzündung bei den involvierten Eltern hin. Und werden sicherlich bei der Fortpflanzung oder der vorgeschalteten Partnersuche ein Hindernis par excellence darstellen.

Fröhliches Glucksen also, wenn die neue Musiklehrerin nach den langen Sommerferein die Liste der anwesenden Schüler zum ersten Mal durchgeht. Da sitzt dann Winnetou neben der lieben Gneisenauette. Oder Godpower, Hope und Imperial-Purity erklären weit ausho(h)lend die Kolonisierung Nordamerikas. Der anschließende Befreiungskampf findet dann als Bürgerkrieg auf dem Pausenhof statt. Und wer da am Ende hohl war oder nicht, wer am Ende Sklave oder Besitzer sein wird, neuerdings ja eher als OPFER tituliert, dass wird wohl abschließend nur das Loch in der linken Schädeldecke bei genauerer Untersuchung im Krankenhaus dann näher herausstellen.

Der allseits beliebte und bereits erwähnte kleine Despot wird sich dann sicher wie so oft regulierend dazwischen stellen. Mit allerdings wohl auch sehr eindeutigen Absichten. Weltherrschaft ist ja nur EINE Episode bei seiner Eroberung des bekannten Universums. Weniger geht ja bei solchen Vornamen auch irgendwie nicht.

Da sind dann ja Frodewin, Katzbachine, oder Pepsi-Carola das Highlight jeder Deutschstunde! Zumindest könnte man auf die nähere klassizistische Herleitung aus dem Mittelalter eingehen. Und zeigen, warum die Aufklärung notwendig war und wohl auch weiterhin ist!

Spätestens wenn beim Buchstaben S schließlich Solarfried, Schokominza und Schneewittchen aus ihren bewegenden Sommerferien in der Kinderstube vor der Mattscheibe mit der Wii berichten, dann wird die Gaudi im Klassenraum sicher keine Grenzen kennen.

Ja, liebe Bildungsferne Schichten, so etwas kann durchaus auch einmal mit täglichen Prügelstrafen unter Gleichaltrigen enden. Und ob der Polizist auf der Wache später einmal  dem Winnetou-Waterloo Pumuckl Müller glauben schenkt, wenn der von seinem Autodiebstahl vor der Haustür berichtet – ich habe meine doch sehr angestrengten Zweifel daran.

Wie kommt ein normal denkender Mensch nur auf solche Vornamen? Wie allerdings kommt der Mensch überhaupt auf diese Namen? Warum heißt der Mond nur Mond und die Sonne nicht ‚Strahledings‘? Ich nehme es sehr stark an: in einigen Jahrzehnten wird der durchschnittliche IQ nichts anderes mehr erlauben. Dann fährt man mit dem Töff-Töff zur Arbeit und bei jedem neuen ‚Ringering‘ von dem angebissenen Obststück wird sich die Kundschaft quasi gegenseitig beim Kauf zerfleischen.

Ich kann mir dies dann auch schon ganz gut im Fernsehen bei den vielen tollen neuen Spots vorstellen.

‚Kaufen sie Strahl, die macht mit vielen kleinen Knubbeln und klitzekleinen Knusperperlen diesen mächtigen Bumms in den Dingern  auf ihrem Kopf.‘

Wenn man dann noch weiß, was ein Kopf ist. Dafür kennt man sich aber mit Bumms erzeugenden Knusperperlen ganz gut aus. Wird wohl auch einen Doktortitel zu diesen Perlen geben. Doktor Perl-Bumms oder so. Oder eben Doktor Best. Oder Doktor Oetker.

Wir hatten es ja schon vor einigen Tagen, das mit der leichten Sprache. Alles andere wäre für den Normalbürger dann wohl auch zu anstrengend. Kurze Sätze. Klare Ansagen. Das geht dann auch nicht allzuweit über die Kapazität des Aufnehmenden hinaus.

Wie, Kapazität wäre auch ein toller Vorname?

Stell dir mal vor, du heißt mit Nachnamen Derchemie. So ein richtig alter Franzose aus dem tollen Tal des Burgunders. Wie wäre es dann mit ‚Nobelpreisträger‘ als Vorname?

Läuft alles darauf hinaus, dass irgendwann der Knallerheinz neben dem Turbojonas die Hausaufgaben löst. Die allerdings nicht das Einmaleins abbilden. Nein, es werden Vordrucke ausgemalt. Mit Buntstiften. Glaubst du nicht? Ist ja derzeit schon der absolute Renner unter den verkauften Büchern. Ausmalbücher.

Ja, ich weiß. Eigentlich wird es langsam Zeit, das Land zu verlassen. Nur: wohin?

Kommen ja eh alle lieber zu uns. Damit dann auch Franky-Pany, Kantorka oder Timpe letztlich nicht mehr genau wissen, wo die Glocke hängt. Oder geschweige denn, wer sie geschrieben hat.

Wie, eine Glocke schreiben? Die wird immer noch gegossen. Sag das mal laut in der Klasse…die lachen dich aus, Phoenix-Popo!

Stellt sich an dieser Stelle dann auch die drängende Frage, was assoziiert man mit welchen Namen so auf Anhieb? Jetzt mal abgesehen von dem fäkalen Hintergrund. Migrationsauswüchse sind dabei sicher auch nicht ausgeschlossen.

Ich meine eben die Gisela, den Rottweiler. Da würde man doch nie auf einen Maulkorbzwang kommen. Oder das Taxi anleinen. Wie auch? Klar, Sheriff Shakur würde mir das wohl genauer erklären können, wie und warum man das wohl genau macht. Aber würde ich persönlich einen Sheriff in Deutschland ernst nehmen?

Alles ist also nur eine Frage der Assoziation. Fast jedem dürfte ja bei meinem Titel auch der liebe Herr Eco auf Anhieb eingefallen sein. Der vor ein paar Wochen ja leider verstarb. Erfinder der Ökonomie – nein, Scherz beiseite. Ich habe jedes Buch von ihm einfach nur verschlungen. Einer der – meiner Meinung nach – besten Schriftsteller der Neuzeit ist leider von uns gegangen. Nie mehr wieder wird es ein neues Buch von ihm geben. Stattdessen werden uns halt der neue Konsalik oder  Stephen King verkauft. Und keiner fragt sich, warum die Rose wohl Rose heißt. Doch. Vermutlich Adriatik Champagna Emilia-Extra Müller. Die fragt sich sicher auch, wieso ein Volltrunkener auf dem Standesamt überhaupt ernst genommen wird. Naja, wenn der Standesbeamte Despot Napoleon November Schneider hieß – da wundert einen dann eben nichts mehr…

WEISSE BESCHEID, ne?

9 Gedanken zu “Der Name der Hose

  1. haluise schreibt:

    BIN auch ne alte säckin, nachkriegsmodell.
    in ermanglung von hosen für mädchen musste ich lange warten bis die ladies-buxen (für den campingplatz, die freizeit) mit ausladendem hüftangebot und sich stark verjüngenden beinen, sodass die bux an meinen waden hängenblieb, durch eine erste französische flanell-hüft-hose überholt wurde und dann erst kamen die jeans, die zunächst ebenfalls nach fragwürdigen schnitten angefertigt waren = noname.
    die amerikanischenjeans waren zunächst teurer und brauchten einen gewissen vorlauf biss sie den kult-status gewannen.
    danach setzte sich auch bei den üblichen mädchen-hosen die verbesserte passform durch.
    ab dann waren röcke und kleider für mich fast völlig ‚out‘.
    UND
    die namen, dachte ich, würden mehr durch ALI und MOHAMMAD, FAISALine Benine Ramschalebums o.ä. ersetzt.

    BIN LUISE

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  2. Kerstin schreibt:

    Jetzt bin ich wirklich froh, dass ich schon so alt bin und bei meinen Eltern ein nordischer Namen schon das Maximum an Exzentrik erfüllt hat. Im Übrigen haben wir mal einen Hund vor dem Tode durch Ersäufen von einem Almöhi gerettet haben. Bis zu eben jener hieß er Leb-nich-lang. Wir hatten Erbarmen in zweierlei Hinsicht und tauften ihn auf den Namen Anton. Total exotisch für einen Hund aus Tirol. 🙂
    Liebe Grüße, Kerstin

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      • lunarterminiert schreibt:

        Da fiel mir grad ein: unsere Fellnase hatte den Spitznamen „Hose“ (dumm wie ne Hose, verstehst?) …passt zu Deiner Beitragsüberschrift: Der Name der Hose
        Antwort: das M (Langform: Murphy, wie Murphys Law) . M stand aber glücklicherweise auf Rüden also nicht auf Gisela …OMG der Gedankenstrom artet grad aus.
        Liebe Abendgrüße 😉

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